Hilfe zum Flüchtlingen

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Freiwillige vom Gartenprojekt El Palito in Stuttgart haben mitbekommen, wie das Flüchtlingscamp in Idomeni in Griechenland geräumt worden ist. Jetzt machen sie sich auf den Weg nach Lesbos.

Stuttgart – Santiago Agustin Carraras Stimme ist heiser, immer wieder unterbricht er sich, um zu husten. „Alle, die im Camp waren, sind krank, auch die Flüchtlinge“, sagt der 30-jährige Stuttgarter. Santiago Agustin Carrara ist mehr als 1700 Kilometer weit weg von seinem Zuhause. Gemeinsam mit anderen Freiwilligen des Gemeinschaftsgartenprojekts El Palito aus Degerloch ist er im November aufgebrochen, um Flüchtlingen, die auf der Balkanroute nach Europa kommen, mit warmer Suppe oder Tee zu versorgen.

Zuerst waren sie in Miratovac (Serbien), haben da ein Ladenlokal gemietet, um den Menschen zu helfen. Einer der Freiwilligen sei noch da, berichtet Carrara, der von den meisten Santi genannt wird. Die anderen seien nach Idomeni weitergefahren, einem griechischen Dorf an der Grenze zu Mazedonien – das Tor zu Europa. Weil Mazedonien nur Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak durchlässt, waren dort zuletzt rund 2000 Menschen gestrandet.

 

Ausharren in beißender Kälte bei starkem Wind

Als wir per Internettelefonie sprechen, bis der Akku leer ist, sind noch zwei Helfer von Palito in Idomeni. Zum ersten Mal seit zehn Tagen nicht mehr im Flüchtlingscamp, sondern in einem Hotel. Die erste Dusche liegt hinter ihnen, das Camp ist geräumt. Die kleinen, abgerissenen Zelte, die der Kälte nicht trotzen konnten, stehen leer. Santiago Carraras Eindrücke sind noch frisch von der Räumung, die er miterlebt hat. Die Polizei sei Mittwoch früh angerückt, in der Eiseskälte. Sie wollten eigentlich filmen, doch sie durften nicht.

In den zehn Tagen vor der Räumung hatten die Helfer von El Palito den gestrandeten Flüchtlingen heißen Tee ausgeschenkt. Nachts sei die Temperatur auf bis zu minus fünf Grad gesunken, erzählt er. Über das flache Land sei der Wind nur so gefegt. Die Flüchtlinge hätten kaum etwas gehabt, um sich zu wärmen, es seien viel zu wenig Decken da gewesen. „Das sind doch ganz normale Menschen“, sagt Carrara. Sie zumindest wollten ihnen Wärme spenden – über den heißen Tee und durch ihre Anwesenheit, sagt er. „Tee wärmt für etwa eine Stunde“, sagt Carrara. Es seien noch zwei Küchen von Helfern da gewesen, mit denen sie sich abstimmt hätten – sie selbst gaben neben dem Tee Frühstück aus.

 

Teils apokalyptische Zustände im Camp

Carrara hat mitbekommen, wie große Hilfsorganisationen wegfuhren, verschlossene Container hätten sie zurückgelassen. Carrara berichtet von „apokalyptischen Zuständen“, als die Flüchtlinge das Lager geplündert hätten und Container aufbrachen. In einem seien 500 Decken gewesen.

Der Stuttgarter hat in den Tagen an der Grenze vieles gesehen, das er noch verarbeiten muss. Er erzählt von der brennenden Leiche eines jungen Mannes. „Marokkaner haben die Leiche danach genommen und wollten sie bei der Polizei abliefern, doch die hat Tränengas eingesetzt“, berichtet er traumatisiert. Schon in Serbien sei ein 60-jähriger Mann entkräftet vor ihrem Laden gestorben.

 

Auch auf Lesbos wollen die Stuttgarter helfen

Er sei einmal mit Flüchtlingen mitgegangen, berichtet er, die versuchten, etwas weiter weg über die Grenze nach Mazedonien zu gelangen. Er habe den Grenzbeamten seinen italienischen Pass gezeigt, doch das habe die gar nicht interessiert. Zum Glück habe er viele Jacken angehabt, die Schläge mit dem Schlagstock, die ihn trafen, hätten ihn nicht verletzt.

Weiterhin kämen in Idomeni täglich Busse an, berichtet Carrara. In diesen säßen aber nur noch Menschen, die auch durchgelassen werden nach Mazedonien: Syrern, Afghanen, Iraker. Die Gestrandeten sind nach Athen in ein Stadion gebracht worden. Santiago Carrara und ein weiterer Stuttgarter Helfer wollen nun auch dorthin, dann weiter nach Lesbos. „Wir haben die Information, dass viele mit Booten ankommen, obwohl es dort eiskalt ist.“ Ihre Teeküche wird weiter gebraucht.

 

Zum Original Artikel • Stuttgarter-Zeitung