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Der Träumergarten soll Ökoparadies werden

Von Julia Bosch  | 

Ein schlimmer Unfall und kurz darauf Brandstiftung: Die Ehrenamtlichen im Stuttgarter Gemeinschaftsgarten El Palito hatten zuletzt mit vielen Rückschlägen zu kämpfen. Nun wollen sie sich wieder auf das Wesentliche besinnen – und zugleich größer werden.

Degerloch – Ist es der bestmögliche Ort? Oder vielmehr der schlechteste? Der verwilderte Gemeinschaftsgarten El Palito passt eigentlich so gar nicht in das Wohngebiet Haigst in Degerloch mit seinen altehrwürdigen Villen. Auch die nur wenige Meter entfernte, laut rauschende B 27 lässt einen nicht gerade an Entspannung und einen Wohlfühlort für Menschen, Tiere und Pflanzen zu denken. Doch vielleicht lädt dieser unkonventionelle Garten gerade deshalb so zum Träumen ein: weil man dort flüchten kann – raus aus dem Alltag, weg von dem Lärm und der Geschäftigkeit der Stadt und der Menschen.

 

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El Palito wird zum Gartenprojekt

Frank Buchmeier  |  16 Juni 2019

Ein Verein aus Stuttgart will in einem Garten an der Weinsteige eine bessere Welt erschaffen. Doch das Schicksal spielt nicht mit. So kommt letztlich alles ganz anders als geplant.

StuttgartWer eine andere Sicht auf die Welt erhaschen will, kann beim US-Unternehmen Virgin Galactic für eine viertel Million Dollar einen Trip ins All buchen. Günstiger ist eine Fahrt mit der Stuttgarter Stadtbahn bis zur Haltestelle Weinsteige. Dann muss man nur noch die vor sich hin lärmende B 27 überwinden und ein bunt bemaltes Gartentor öffnen. Und schon scheint man nicht mehr im Hier und Jetzt zu sein, sondern in einer Landkommune Mitte der 1960er Jahre. Ein Hippie, schrieb der amerikanische Dichter Allen Ginsberg seinerzeit, sei jemand, der „nicht nur dem Leistungsdruck der Gesellschaft entfliehen, sondern zugleich neue, menschlichere Lebensweisen finden will“.

Im Sommer 2013 beschließen ein paar moderne Großstadt-Hippies, ein verwildertes Hanggrundstück unterhalb der Neuen Weinsteige in eine 3500 Quadratmeter große Kreativzone zu verwandeln. El Palito – auf Schwäbisch: des Stöckle – soll ein Ort sein, an dem die Herkunft und die soziale Schicht keine Rolle spielen. Ein Ort, an dem eine Subkultur ungestört gedeihen kann. „Menschen und Pflanzen verbindet, dass sie einen passenden Platz brauchen, um wachsen zu können“, sagt Faysal Bouhouch, 41 Jahre alt, von Beruf Klempner, in seiner Freizeit Philosoph und Kleingärtner.

Rasch entwickelt sich El Palito zu einem alternativen Treffpunkt in bester Stuttgarter Halbhöhenlage. Zu einem Abenteuerspielplatz für all jene, die den Sinn des Lebens nicht darin sehen, möglichst viel zu besitzen, sondern darin, möglichst viel zu erfahren. Eine argentinische Einwanderin bietet Spanisch-Kurse an, eine Gesundheitstrainerin einen Turn-Workshop, und ein Kunststudent zeigt, wie man mit Zwiebelschalen Stoffe färbt. Es wird gemeinsam gekocht und getrunken, gesungen und gespielt. Kinder freuen sich über die beiden Schaukeln, Obdachlose über das Trampolin, auf dem sie bequem übernachten können.

Auch die Polizei schaut immer wieder vorbei. Sei es, weil sich Nachbarn über den Lärm beschwert haben, sei es, weil die El-Palito-Verantwortlichen einen verdrehten Besucher loswerden wollen, der ausländische Gäste als Kanaken beschimpft. Wie soll man an dem Ideal festhalten, dass niemand ausgegrenzt werden darf, wenn jemand andere diskriminiert? Solche Fragen, auf die es keine befriedigenden Antworten gibt, beschäftigen die El Palitos mit der Zeit immer häufiger.

In dem Gemeinschaftsgarten wuchern die zwischenmenschlichen Probleme wie Brombeerbüsche. Gerne bedienen sich die Gäste an dem kostenlosen Essen, doch nur wenige werfen ein paar Münzen in das Spendenglas. Dabei verlangt der Grundstückseigentümer 350 Euro Monatsmiete, hinzu kommen die Kosten für Versicherung und Wasser. Vieles bezahlen die Vereinsmitglieder aus ihren eigenen, mager gefüllten Taschen. Und wie wird es ihnen gedankt? Nachts, im Anschluss an ein Konzert, kackt ein Unbekannter in die Küche statt ins Plumpsklo. Das ist zwar eklig, aber noch kein Drama.

Doch dann, im Oktober 2016, passiert etwas Furchtbares. Kurz vor Sonnenuntergang zündet ein Vereinsmitglied auf der Terrasse am Hang eine Mischung von getrocknetem Kuhdung, Vollkornreis und gereinigter Butter an. Das vedische Feuerritual soll eine heilende Wirkung entfalten – stattdessen wird eine junge Frau von den Flammen erfasst. Sie überlebt nur knapp, schwer gezeichnet für ihr restliches Leben. Die Katastrophe stürzt den jungen Verein in eine Krise. Stundenlang debattieren sich die gerade einmal dreizehn Mitglieder ihre Köpfe heiß. Am Ende der aufreibenden Streiterei einigen sie sich auf die Parole: So darf unser Traum von einem besseren Miteinander nicht enden!

Tanz, Teilen, Yoga, Kunst, Performance, Vorträge und ein Kinderprogramm verspricht ein grün-gelbes Blümchenplakat, das im Mai 2018 die Wände von Stuttgarter Szenekneipen ziert: El Palito lädt zum Open-Air-Festival ein. Hunderte strömen am Pfingstsamstag in den Gemeinschaftsgarten. Barfüßige Menschen wiegen sich zu den südamerikanischen Rhythmen der Band La César Pavón Orkestas. Es gibt vegane Gerichte aus selbst angebautem oder gespendetem Obst und Gemüse, dazu Bio-Matetee und Gruibinger Spezialbier.

Warum werden Idealisten, die nur Gutes im Sinn haben, vom Schicksal gebeutelt? Eine Woche nach dem Festival brennt es in dem Garten erneut. Diesmal wird niemand verletzt, aber die Werkstatt liegt in Schutt und Asche. Die Polizei sagt: Brandstiftung. Die Ermittlungen werden mangels Erfolgsaussichten bald eingestellt.

Zunächst üben sich die El Palitos im Zweckoptimismus. Wo etwas Altes verschwunden ist, kann etwas Neues entstehen. Die Werkstatt soll wieder aufgebaut werden. Mit einem Spendenaufruf im Internet, einem Benefizkonzert und einem Stand beim Festival der Kulturen wird Geld gesammelt. Doch als das Baurechtsamt von den Plänen erfährt, platzt der Traum: Die Werkstatt war ein Schwarzbau in einem streng geschützten Grüngebiet. Die Flammen haben folglich bloß etwas zerstört, das gar nicht hätte existieren dürfen. „Spätestens an diesem Punkt war uns klar, dass sich alles, was auf der Welt passiert, hier im Kleinen widerspiegelt“, erzählt Santiago Carrara, 33 Jahre alt, langhaarig, vollbärtig, freischaffend, Vater zweier Kinder und El-Palito-Mitglied der ersten Stunde. „Es stand fest, dass wir etwas verändern mussten.“

Aber was? Wie kann das Ziel eines solidarischen und ökologischen Miteinanders beibehalten werden und gleichzeitig die Gefahr minimiert werden, weitere böse Überraschungen zu erleben? Nach langen Diskussionen, Vereinsaustritten und Neuzugängen lautet die Antwort: zurück zur Natur, zu einer friedlichen Koexistenz von Mensch und Pflanze. Der Garten soll kein stets offener Treff für Nonkonformisten mehr sein, sondern ein vorbildliches Urban-Gardening-Projekt.

Carrara und seine Mitstreiter hoffen auf einen Zuschuss der Stadt, beschäftigen sich mit Förderprogrammen und erarbeiten ein Konzept. „Wir wollen den natürlichen Landbau mit einer kreativen und sozialen Gesellschaft verbinden“, sagt er. Artenvielfalt statt Monokulturen. Kompost statt Chemie. Nachhaltigkeit statt Profitmaximierung. Grundsolide Ziele, die sich auch in den Richtlinien des Demeter-Verbandes oder dem Parteiprogramm der Grünen finden. Der Utopismus, der bei der El-Palito-Gründung herrschte, hat sich verflüchtigt. Das Experiment, dass sich mitten in Stuttgart, in einer 3500 Quadratmeter großen Oase, jeder völlig frei entfalten kann, ist gescheitert. „Wir wollen weg von unserem Hippie-Image“, sagt Santiago Carrara. Das bunt bemalte Tor ist nun oft verschlossen, und die El Palitos bleiben auch mal unter sich. Der Trip in eine andere Welt ist vorbei. Er hatte sich als zu riskant erwiesen.

 

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El Palito erfährt nach dem Feuer große Solidarität

Von Ralf Recklies  | 

Das war bitter: Ende Mai ist die Werkstatt des Vereins El Palito in Stuttgart-Degerloch in Flammen aufgegangen. Die Polizei geht von Brandstiftung aus. Der Verein versucht nun, dem Schlimmen etwas Positives abzugewinnen.

Degerloch – Ein Brand hat Ende Mai die Werkstatt im Garten des Vereins El Palito auf dem Haigst zerstört. Die Ermittler haben nach Auskunft eines Polizeisprechers „noch keine heiße Spur, die zu den Tätern führt“, die das Feuer in den frühen Stunden des Sonntagmorgens gelegt haben. Dass die Werkstatt durch eine weggeworfene Kippe oder wegen eines technischen Defekts in Brand geraten ist, schließen die Ermittler nach dem Kenntnisstand des El-Palito-Vorstands Victor Fechter aus. „Mit relativer Sicherheit wird von Brandstiftung ausgegangen.“

 

Spuren des Feuers sollen bald verschwunden sein

Die Spuren des Feuers sollen laut Fechter schon bald verschwunden sein. „Wir versuchen von unserer Seite her jetzt einen Neuanfang und blicken nicht verbissen zurück“, sagt Fechter. Der Verein sehe den Schicksalsschlag auch als Chance, etwas Neues entstehen zu lassen. „Unsere Erfahrung ist, dass sich viele Menschen in der Folge des Brandes mit uns solidarisieren und uns helfen wollen, den Wiederaufbau zu schaffen“, sagt Fechter, der zu den Gründungsmitgliedern des Vereins El Palito gehört. Eine ganze Reihe von Leuten habe nicht nur angeboten, bei der Beseitigung des Brandschutts zu helfen, sondern sei auch aktiv geworden.

Über den gesamten Juni hinweg gab es bereits mehrere Aufräumtermine– nachdem das Gelände nach Abschluss der kriminalistischen Untersuchungen von der Polizei wieder freigegeben worden war. Zuletzt sind die Helfer am vergangenen Samstag aktiv gewesen.

 

Wo Altes verschwindet, kann Neues entstehen. Dies haben sich wohl auch zwei ausgebildete Architekten gedacht, die dem Verein laut Fechter spontan ihre Hilfe angeboten haben, um ein neues Werkstattgebäude in alternativer Bauweise zu erstellen. Auch Schreiner hätten bereits angefragt, ob sie mit anpacken könnten. Und eine Spende hat der Verein nach dem Bekanntwerden des Werkstattbrands erhalten. „Die Schräglage hat uns Baumaterial für den Wiederaufbau gespendet“, freut sich Fechter.

 

Der Verein hat gerade einmal 13 Mitglieder

Was genau an dem Ort entstehen soll, wo bisher die Werkstatt stand, ist in dem kleinen Verein mit gerade mal 13 festen Mitgliedern noch nicht beschlossen. „Nach dem nächsten Aufräumen werden wir mal schauen, was da passiert“, sagt Fechter. Was indes bereits feststeht: Am 22. Juli wird es in dem Garten ein Benefizkonzert mit einer Band aus Argentinien geben. „Und wir präsentieren uns nun auch mit einem Stand auf dem Sommerfest der Kulturen“, sagt Fechter. Dieses ist vom 1. Juli an sechs Tage lang auf dem Marktplatz der Landeshauptstadt. Der laut Fechter inklusive und partizipative Verein will dort auf seine Situation aufmerksam machen und neue Freunde gewinnen. Um Mitgliederwerbung im klassischen Sinne gehe es dabei nicht. „Jeder kann bei uns vorbeikommen und mitmachen, die Menschen, die zu uns kommen, sind großteils keine Mitglieder“, erklärt Fechter das Konzept. Der Zuspruch sei dabei natürlich saisonal sehr unterschiedlich.

 

Man unternimmt keine Detektivspiele

Wie der mögliche Wiederaufbau der Werkstatt gegebenenfalls finanziert wird, müsse auch noch besprochen werden. Hoffnung darauf, dass die Polizei irgendwann die Brandstifter findet, die dann in Regress genommen werden können, hat der dreiköpfige El-Palito-Vorstand aber laut Fechter nicht. Man verschwende jetzt aber auch keine Zeit darauf, „womöglich selbst Detektiv zu spielen, um diejenigen zu finden, die den Brand verursacht haben“, sagt Fechter. Wichtiger sei es nach vorne zu blicken und mit guten Ideen in die Zukunft zu gehen. Dass der Verein in der Folge des Brandes viel Unterstützung erfährt, sei toll und zeige: Ein Schicksalsschlag kann sich in etwas Positives verkehren. Da habe es wahrlich keinen Sinn, in der Starre zu verharren, „sondern wir müssen aktiv weiter machen“, resümiert Fechter.

 

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Anstiftung: über Palito

18 Februar 2015

El Palito, Stuttgart-Degerloch

Auf dem Haigst 45, 70597 Stuttgart

Email: 
Website: http://elpalito-stuttgart.tumblr.com/
Facebook: 

El Palito ist ein Raum der Begegnung mit konsequent inklusivem und ökologischem Ansatz. Im Garten kommen Menschen unterschiedlichen Alters und Glaubens und unterschiedlicher Herkunft zusammen, um Gemeinschaft und kreativ-soziale Freiheit zu leben, darunter Projekte und Veranstaltungen wie Fair-Teil-Projekte, vedische Feuerrituale, Konzerte, Flohmärkte, Vorträge oder Workshops.

 

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Grüne Insel im Großstadtdschungel

Von Lara Füssel und Franziska Horwath  |  12 Januar

Verkehr, Feinstaub und Menschenmassen prägen das Bild der Landeshauptstadt Stuttgart und der Raum in der Kessellage ist begrenzt und überschaubar. Das drängt viele Menschen raus in die Natur. Doch wohin? Eine aufkeimende Bewegung stellt sich diesem Problem entgegen: Urban Gardening. Grüne Inseln als Kontrastprogramm zum grauen Beton. Das El Palito ist eine davon.

Wer mit der Zacke oder der U-Bahn zur Weinsteige fährt, um den grandiosen Ausblick über Stuttgart zu genießen, dem sind vielleicht schon einmal die bunten und einladenden Schilder neben dem Santiago de Chile Platz aufgefallen:

 

„Willkommen in deinem Garten!“

– El Palito e.V.

 

Doch was hat es damit auf sich? — Die Schilder laden zu einem Besuch im El Palito (spanisch für „Hölzchen“) ein.

 

Am Anfang ist die Euphorie

Von Beginn an waren sich die Gründer des Vereins einig: „Hier ist jeder willkommen!“. Einer dieser Gründer ist Viktor, Stuttgarter und 27 Jahre alt. „Die Idee, einen Garten in der Großstadt anzulegen, entstand vor etwa fünf Jahren“, erinnert er sich. Lange sei das Grundstück an der Weinsteige ungenutzt gewesen. Nur selten habe man sich hier mit Freunden getroffen, um einen Geburtstag oder Silvester zu feiern. Schließlich entstand der Wunsch aus dem Grundstück etwas Besonderes entstehen zu lassen.

Zunächst war die Euphorie groß. Am liebsten wollte man sofort beginnen, bloß keine Zeit verlieren! Bevor jedoch etwas gedeihen kann, muss zuerst gerodet werden. Dieser Prozess bedurfte von Beginn an einer Menge Zeit und zieht sich bis einschließlich heute: Selbst nach fünf Jahren bergen die Jungs untypische Gegenstände und Müll beim jährlichen Erweitern und Umgraben des Gartens. „Doch genau das sind die Dinge, die einen urbanen Garten eben urban machen”, erklärt Viktor.

 

Auf dem El Palito-Areal gibt es einiges zu entdecken:

Was die Jungs unterschätzt hatten: Selbst vermeintlich ehrenamtliche Projekte bringen rechtliche Rahmenbedingungen und bestimmte moralisch-ethische Probleme mit sich. So stellten sich die Fragen, wie „offen“ der Garten sein kann oder wo die Grenzen bei der Nutzung der Grünflächen liegen. Erst kürzlich hatte sich beispielsweise ein Obdachloser in den Hütten des Geländes eingenistet. „Da kommt man mit ganz alltäglichen Dingen in Kontakt, die das soziale Leben in Stuttgart betreffen und die einem entgehen würden, wenn man dem normalen Leben nachgeht.”

Viktor fährt fort: „Der Garten spiegelt das Stadtbild wieder. Hier treffen alle Schichten der Stadt aufeinander.“ Auch wenn die Gründung aus Jux und Tollerei entstanden ist, sind sich die Gründer ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst. Sie sind glücklich darüber, ein Treffpunkt für Jung und Alt, arm und reich zu sein und diese Begegnungen möglich zu machen. Denn trotz vieler Unterschiede: Die Natur zieht jeden an!

 

Ein Blick in die Zukunft

Viktor wünscht sich für die Zukunft, dass das El Palito auch noch in vielen Jahren besteht. Denn auch wenn auf den ersten Blick ein großer Wechsel zwischen Auf- und Abbau von subkulturellen Einrichtungen stattfindet, ist Stuttgart lebendig. Ausweglose Situationen erfordern kreative Lösungen. So formen sich momentan zahlreiche alternative Initiativen und Projekte mit dem Ziel, dauerhaft bestehen zu können.

 

„Wir wollen nicht größer werden, sondern bleiben.”

– Viktor

 

Es sind viele Chancen da, viele Kapazitäten, die jedoch nur im kleinsten Maße ausgeschöpft werden. Hier kann die Stadt Stuttgart mit ehrlichem Interesse und Engagement ansetzen, derartige Projekte ins Visier nehmen, ansprechen und gezielt unterstützen.

Ein Wunsch, dessen Umsetzung vor allem der Stadt selbst zugutekommen würde, denn:

Das Engagement zahlt sich aus: Vor einigen Monaten hat der El Palito e.V. einen Preis zur Stadtverschönerung von der Stadt Stuttgart erhalten. Das mache die Gründer zwar stolz, eine Garantie, dass das Gärtchen jedoch dauerhaft erhalten bleibt, sei es nicht wie Viktor anmerkt. „Wir arbeiten hier ehrenamtlich und das Bestehen hängt von unserer Motivation ab. Wenn die kippt, kann das alles im Nichts verschwinden.”

Kleine Schritte bewirken Großes — Das Beispiel El Palito beweist dies einmal mehr.
Wer Lust bekommen hat selbst ein Teil davon zu werden und den Verein zu unterstützen, findet Infos zu aktuellen Veranstaltungen auf deren Facebook-Seite. Noch mehr lohnt sich jedoch ein persönlicher Besuch der grünen Insel. Viktor und seine Jungs würde es mit Sicherheit freuen.

 

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Hilfe zum Gestrandete

Von   | 

” Santiago Agustin Carrara von „El Palito“ ist seit Kurzem aus Chios zurückgekehrt, aber sieben Stuttgarter Helfer sind noch da. Sie geben Suppe und Kleidung aus und empfangen die Flüchtlinge mit heißem Tee. “

Fast täglich kommen auf der griechischen Insel Chios Flüchtlinge in Schlauchbooten an. Allein im vergangenen Monat sollen 21 000 Flüchtlinge auf Chios an Land gegangen sein. Am Hafen steht seit Mitte Dezember die Teeküche des Degerlocher Gemeinschaftsgartenprojekts El Palito, um die durchnässten Menschen mit heißem Tee zu empfangen. „Die Menschen kommen aus den Booten, blicken zum Teil zum Himmel und danken Gott dafür, dass wir da sind“, erzählt Santiago Agustin Carrara.

 Er ist seit rund einer Woche wieder in Stuttgart, doch per Handy und Computer weiter am koordinieren. Sieben Helfer aus Stuttgart seien noch auf Chios vor Ort, darunter fünf, die zu El Palito gehören und zwei weitere Helfer, die einen Konvoi mit Kleidung organisiert hätten. Nach ihrer eigenen Ankunft auf Chios hätten sie gemeinsam mit einem Freiwilligen aus Großbritannien eine Suppenküche aufgebaut, berichtet der 30-Jährige. Vor drei Tagen seien rund 2200 Portionen Suppe an Flüchtlinge ausgegeben worden. Auch Kleidung und Schuhe werden von den Stuttgartern verteilt.
 

Die Helfer sind miteinander vernetzt

Die Freiwilligen des Gemeinschaftsgartenprojekts El Palito waren wie berichtet zuvor in Serbien und dann in dem Dorf Idomeni an der griechischen Grenze zu Mazedonien im Einsatz – bei Eiseskälte haben sie in Idomeni Tee ausgeschenkt, bis das Lager geräumt wurde. Anders als in Idomeni, wo sie bei Minusgraden in Zelten geschlafen haben, haben sie sich auf Chios zusammen ein Apartment in Strandnähe gemietet; auch, um wieder gesund werden zu können. Denn in Idomeni waren sie erkrankt. Sie kauften sich zudem ein Fernrohr, um vom Balkon aus ankommende Boote zu erkennen – und dann per WhatsApp andere Helfer zu alarmieren. Die Vernetzung klappe sehr gut, berichtet Santiago Agustin Carrara. Er hat zudem für Flüchtlinge ein Flugblatt erstellt mit wichtigen Informationen für den weiteren Weg, um zu verhindern, dass sie erneut an kriminelle Schlepper gelangen.

Wenn er an Chios denkt, hat Carrara nicht nur die ankommenden Flüchtlinge und die „vielen, vielen Kinder“ vor Augen, sondern vor allem auch Menschen, wie den alten Fischer Manoli. Für ihn habe es zu seiner Seemannsehre gehört, den Menschen, die aus dem Meer kamen, zu helfen. „Da ist so eine Herzlichkeit, so eine Mitmenschlichkeit unter den Seeleuten“, sagt er und muss kurz schlucken. Die wenigsten Griechen würden versuchen, aus der Situation Profit zu schlagen, im Gegenteil. Aber auch ein serbischer Soldat hat Santiago Agustin Carrara vor einigen Wochen sehr berührt: Der habe sein Gewehr zur Seite gestellt und begonnen, Holz zu hacken – „damit wir weiter Tee ausschenken konnten“.
 
 

Als nächstes geht es nach Frankreich

Santiago Carrara plant schon seinen nächsten Einsatz vor Ort. Der gelernte Kinder- und Jugenderzieher, der als Freiberufler arbeitet, versucht aktuell, eine weitere Suppenküche zu organisieren und einen Wagen. Diesmal soll es nicht wieder nach Griechenland gehen, sondern nach Nordfrankreich.

In der Region Nord-Pas-de-Calais sollen an die 3000 Flüchtlinge in zwei großen Camps gestrandet sein. Über das Freiwilligennetzwerk hat er von schlimmen Zuständen erfahren. „Die Zelte stehen da zum Teil unter Wasser, die Leute haben kein Feuerholz“, gibt er weiter, was er gelesen hat. Er will sich selbst ein Bild machen, wie schon zuvor in Serbien, in Idomeni an der mazedonischen Grenze und auf Chios – und dann über das Gesehene auf dem Netzwerk Facebook schreiben. Auch dieser Einsatz wird mit Spenden finanziert.

Die Rückreise aus Frankreich sei mit sechs Stunden Fahrtzeit unkomplizierter als eine von Chios. Das ist für ihn verständlicherweise momentan sehr wichtig – schließlich erwartet seine Freundin Ende Januar ein Baby.

 

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Hilfe zum Flüchtlingen

hilft den Flüchtlingen

Von   | 

Freiwillige vom Gartenprojekt El Palito in Stuttgart haben mitbekommen, wie das Flüchtlingscamp in Idomeni in Griechenland geräumt worden ist. Jetzt machen sie sich auf den Weg nach Lesbos.

Stuttgart – Santiago Agustin Carraras Stimme ist heiser, immer wieder unterbricht er sich, um zu husten. „Alle, die im Camp waren, sind krank, auch die Flüchtlinge“, sagt der 30-jährige Stuttgarter. Santiago Agustin Carrara ist mehr als 1700 Kilometer weit weg von seinem Zuhause. Gemeinsam mit anderen Freiwilligen des Gemeinschaftsgartenprojekts El Palito aus Degerloch ist er im November aufgebrochen, um Flüchtlingen, die auf der Balkanroute nach Europa kommen, mit warmer Suppe oder Tee zu versorgen.

Zuerst waren sie in Miratovac (Serbien), haben da ein Ladenlokal gemietet, um den Menschen zu helfen. Einer der Freiwilligen sei noch da, berichtet Carrara, der von den meisten Santi genannt wird. Die anderen seien nach Idomeni weitergefahren, einem griechischen Dorf an der Grenze zu Mazedonien – das Tor zu Europa. Weil Mazedonien nur Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak durchlässt, waren dort zuletzt rund 2000 Menschen gestrandet.

 

Ausharren in beißender Kälte bei starkem Wind

Als wir per Internettelefonie sprechen, bis der Akku leer ist, sind noch zwei Helfer von Palito in Idomeni. Zum ersten Mal seit zehn Tagen nicht mehr im Flüchtlingscamp, sondern in einem Hotel. Die erste Dusche liegt hinter ihnen, das Camp ist geräumt. Die kleinen, abgerissenen Zelte, die der Kälte nicht trotzen konnten, stehen leer. Santiago Carraras Eindrücke sind noch frisch von der Räumung, die er miterlebt hat. Die Polizei sei Mittwoch früh angerückt, in der Eiseskälte. Sie wollten eigentlich filmen, doch sie durften nicht.

In den zehn Tagen vor der Räumung hatten die Helfer von El Palito den gestrandeten Flüchtlingen heißen Tee ausgeschenkt. Nachts sei die Temperatur auf bis zu minus fünf Grad gesunken, erzählt er. Über das flache Land sei der Wind nur so gefegt. Die Flüchtlinge hätten kaum etwas gehabt, um sich zu wärmen, es seien viel zu wenig Decken da gewesen. „Das sind doch ganz normale Menschen“, sagt Carrara. Sie zumindest wollten ihnen Wärme spenden – über den heißen Tee und durch ihre Anwesenheit, sagt er. „Tee wärmt für etwa eine Stunde“, sagt Carrara. Es seien noch zwei Küchen von Helfern da gewesen, mit denen sie sich abstimmt hätten – sie selbst gaben neben dem Tee Frühstück aus.

 

Teils apokalyptische Zustände im Camp

Carrara hat mitbekommen, wie große Hilfsorganisationen wegfuhren, verschlossene Container hätten sie zurückgelassen. Carrara berichtet von „apokalyptischen Zuständen“, als die Flüchtlinge das Lager geplündert hätten und Container aufbrachen. In einem seien 500 Decken gewesen.

Der Stuttgarter hat in den Tagen an der Grenze vieles gesehen, das er noch verarbeiten muss. Er erzählt von der brennenden Leiche eines jungen Mannes. „Marokkaner haben die Leiche danach genommen und wollten sie bei der Polizei abliefern, doch die hat Tränengas eingesetzt“, berichtet er traumatisiert. Schon in Serbien sei ein 60-jähriger Mann entkräftet vor ihrem Laden gestorben.

 

Auch auf Lesbos wollen die Stuttgarter helfen

Er sei einmal mit Flüchtlingen mitgegangen, berichtet er, die versuchten, etwas weiter weg über die Grenze nach Mazedonien zu gelangen. Er habe den Grenzbeamten seinen italienischen Pass gezeigt, doch das habe die gar nicht interessiert. Zum Glück habe er viele Jacken angehabt, die Schläge mit dem Schlagstock, die ihn trafen, hätten ihn nicht verletzt.

Weiterhin kämen in Idomeni täglich Busse an, berichtet Carrara. In diesen säßen aber nur noch Menschen, die auch durchgelassen werden nach Mazedonien: Syrern, Afghanen, Iraker. Die Gestrandeten sind nach Athen in ein Stadion gebracht worden. Santiago Carrara und ein weiterer Stuttgarter Helfer wollen nun auch dorthin, dann weiter nach Lesbos. „Wir haben die Information, dass viele mit Booten ankommen, obwohl es dort eiskalt ist.“ Ihre Teeküche wird weiter gebraucht.

 

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300 Liter Suppe

El Palito Suppe

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Freiwillige vom Gemeinschaftsgarten El Palito, dem Kulturlabor und dem SV Sillenbuch sind am Dienstag an die serbisch-mazedonische Grenze aufgebrochen. Mit einer eigens angeschafften Feldküche wollen sie für die Flüchtlinge kochen.

Filder – Eine Handvoll fleißige Helfer vom Gemeinschaftsgarten El Palito, dem Kulturlabor, dem SV Sillenbuch und weitere Freunde sind am Dienstagnachmittag mit zwei geliehenen Autos an die serbisch-mazedonische Grenze aufgebrochen. Sie verteilen dort warme Decken und Jacken und kochen in den nächsten acht Tagen für die Flüchtlinge. Dafür haben sie eine Feldküche besorgt, mit der man bis zu 300 Liter Suppe und Eintopf kochen kann. Weil sich noch weitere Helfer gemeldet haben, die sich engagieren wollen, soll ein eigener Transporter angeschafft werden, um künftig hin und her pendeln zu können. Die nächsten Fahrten sind noch im November und Dezember geplant. Für den Transporter und um vor Ort Lebensmittel zum Kochen für die Flüchtlinge besorgen zu können, braucht die Gruppe finanzielle Unterstützung.

Spenden kann man an folgende Bankverbindung überweisen: Carrara Santiago, IBAN: DE06 4306 0967 7012 5255 00, GLS-Bank.

 

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Das Waldheim Gaisburg ist seit Monaten geschlossen

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Die Aussicht von der Terrasse und vom Garten des Waldheim Gaisburg über den Stuttgarter Osten und die Neckarvororte ist wunderschön. In diesem Sommer jedoch müssen Besucher, die den steilen Weg erklimmen oder einen Spaziergang durch die Waldebene Ost dorthin machen, auf den Blick und auf eine Stärkung aus der Waldheimküche verzichten. Der frühere Pächter ist im vergangenen Herbst überraschend verstorben und seither ist das „Kommunisten-Waldheim“, wie es im Volksmund heißt, geschlossen. Der Verein Waldheim Gaisburg sucht deshalb jetzt einen Nachfolger. Drei Interessenten haben sich beworben. Die Entscheidung ist noch nicht gefallen, aber in der kommenden Woche tagt der Vorstand des Vereins unter dem Vorsitz von Dieter Lachenmayer. „Wir werden dann einen Vorschlag machen“, sagt er. Knapp 100 Mitglieder zählt der Verein und diese werden auf ihrer Vollversammlung entscheiden, welcher der Bewerber den Zuschlag bekommt.

 

Kein Bestandsschutz mehr für die Ausstattung

„Wir wollen auf alle Fälle eine kürzere Probezeit von ein oder zwei Jahren für den Pächter festlegen“, erklärt Lachenmayer. Da soll sich zeigen, ob Verein und Pächter zusammen passen. „Das Waldheim ist ja keine Sportgaststätte, die an einen Wirt verpachtet wird, sondern bei uns müssen Haus, Garten und Veranstaltungsangebote in enger Weise harmonieren“, betont er. Weil die Pachtlizenz jetzt neu vergeben wird, gilt kein Bestandsschutz mehr für die Ausstattung des Gebäudes. Im Klartext bedeutet dies für den Verein, dass er die Küche komplett erneuern muss, damit sie den heutigen Anforderungen für die Gastronomie entspricht. Reparieren und renovieren reicht nicht mehr aus, wie sich gezeigt hat. Die Küche muss komplett grundsaniert werden. „Wir machen viel in Eigenarbeit. Deshalb wird sich das hinziehen“, kündigt der Vorstand an – mindestens bis zum Spätsommer, lautet die vorsichtige Prognose. Die ebenfalls in die Jahre gekommenen Sanitäranlagen bleiben wie sie sind. „Die sind zwar alt, aber noch in Ordnung“, findet Lachenmayer. Die Innengestaltung würde dann der neue Pächter nach eigenen Vorstellungen übernehmen.

Unter den drei Interessenten ist auch der Verein El Palito, der am 14. Juni zu einer Informationsveranstaltung in den Waldheimgarten eingeladen hatte. Dort wurde einem ausgesuchten Kreis von Freunden und Förderern das Konzept für das Waldheim erläutert. El Palito hat Auf dem Haigst in Degerloch einen Gemeinschaftsgarten mit 3500 Quadratmetern. Dort wird gemeinsam gegärtnert, gekocht, gemalt, gebastelt und musiziert. Einmal in der Woche können Interessierte und Menschen, die sich den Einkauf im Bioladen nicht leisten können, dort aussortiertes Obst aus dem Bio-Handel abholen.

Konzept des Gemeinschaftsgartens

Das Konzept des Gemeinschaftsgartens soll auf das Waldheim übertragen und ausgeweitet werden. Deshalb fungiert der „Der Verein für Kunst und Neugier in Stuttgart“ als Kooperationspartner im vorgelegten Konzept. Das Angebot soll Yoga, Tanz, Trommeln, Nähen, Literatur-und Sprachkurse, Theaterworkshops, Vorträge und Diskussionen, sowie eine breite Palette von Kursen im künstlerisch-handwerklichen Bereich umfassen. Gekocht wird wie auf dem Haigst nach dem Prinzip „Wurzelküche“ vegetarisch und ausschließlich mit Bioprodukten für die Waldheimbesucher.

„Bio ist heute ein wichtiges Thema“, sagt Lachenmayer, macht aber kein Hehl aus seiner Skepsis gegenüber dem El-Palito-Konzept. „Die vielen jungen Leute würden uns schon guttun. Aber das wäre ja etwas ganz Neues und anderes als bisher“, kommentiert Lachenmayer. Der Waldheimverein besteht darauf, dass der Grundcharakter als Ort für soziale und gewerkschaftlich ausgerichtete Gruppen und für Familien gewahrt bleibe. Vor allem müsse der Pächter eine gute, familienfreundliche und nicht hochpreisige Küche haben.

 

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Gemeinschaftsgärten florieren

Mit Gummistiefeln an den Füßen und der Gießkanne in der Hand steht Moritz Bellers im Gewächshaus. Höchste Zeit, dass die Erde Wasser kriegt. Der 34-jährige Landschaftsarchitekt ist einer der Initiatoren des Stadtackers auf dem Gelände der Wagenhallen – einer von rund zwölf Flächen in Stuttgart, auf denen Urbanes Gärtnern betrieben wird. Etwa 100 Menschen wühlen auf dem Areal mit ihren Händen in der Erde, ziehen Pflanzen und Gemüse, experimentieren. Es gibt Gemeinschaftsfelder, auf denen Kartoffeln, Bohnen und Erdbeeren wachsen. Aber auch private Parzellen, die von Singles oder Familien bewirtschaftet werden.

Der Stadtacker steht stellvertretend für den Trend Urban Gardening, der in Großstädten auf dem Vormarsch ist. Auf Brachflächen mitten in der City legen Bürger Beete an. Die Beweggründe sind unterschiedlich. Die einen suchen die Gemeinschaft oder einen Ausgleich zum Alltag, andere wollen bewusster essen. Wieder andere möchten ihren Kindern zeigen, wie eine Kartoffel aussieht, bevor sie zu Pommes Frites wird. Oder sie haben einfach keinen eigenen Garten.

So verschieden die Motive, so verschieden seien auch die Leute auf dem Stadtacker, erzählt Moritz Bellers, der am Institut für Landschaftsplanung und Ökologie der Uni Stuttgart arbeitet. Der Akademikeranteil dort sei zwar hoch. Trotzdem werkelten nicht nur gesundheitsbewusste Großstadt-Hipster auf dem Wagenhallen-Areal, betont er. Sondern auch die türkische Familie, der italienische Gastarbeiter oder der Arbeitslose.

Homogener sieht es beim Alter aus: Das Gros ist zwischen 20 und 40. In diesen Jahren ziehe man häufiger um und komme bei Projekten wie dem Stadtacker schneller und unkomplizierter zum Gärtnern, als wenn man sich bei den Kleingärtnern auf eine lange Warteliste setzen lasse und eine hohe Pacht bezahle, sagt Bellers. Kein Wunder, dass die Urban-Gardening-Projekte in Stuttgart wie die Pilze aus dem Boden sprießen. Sie stellen einen bunten Mix aus grünen Initiativen dar, die teilweise als Vereine, teilweise aber auch nur als lose Gruppe agieren. Im 3500 Quadratmeter großen Garten El Palito in Degerloch wird beispielsweise gegärtnert und gleichzeitig die Kultur gefördert. Dort finden regelmäßig Konzerte, Veranstaltungen und Informationsabende statt. Auf dem Dach des Züblin-Parkhauses im Herzen der Stadt sorgen 80 Hochbeete für reichlich Grün. Und im Schau- und Bildungsgarten in Stuttgart-Möhringen kann man alles über essbare Wildpflanzen lernen. Bei mehreren Flüchtlingsunterkünften im Stadtgebiet sind ebenfalls Gemeinschaftsgärten entstanden.

Leute zusammenzubringen, die voneinander lernen könnten – das sei ein wichtiges Ziel der City-Gärten, sagt Alexander Schmid. Der 31-Jährige ist bei der Stadt als Koordinator für das Urbane Gärtnern und das kommunale Grünprogramm, bei dem es um Hof-, Dach- und Fassadenbegrünung geht, zuständig. Die Stelle ist bundesweit einzigartig und entstand, nachdem Stuttgarter sie bei der Arbeit am Bürgerhaushalt anregten, worauf der Gemeinderat sie genehmigte. Im Juni 2014 nahm Schmid seinen Job auf. Dieser besteht darin, die Initiativen zu beraten, ihnen ein Netzwerk zu bieten und Hilfe zu leisten, zum Beispiel bei Fragen des Versicherungsschutzes.

Schmid vermittelt den Hobby-Gärtnern zudem zweckgebundene Zuschüsse, die die Stadt beisteuert. In dem Topf, der ihm im Haushalt 2014/15 für das Urbane Gärtnern und das Grünprogramm zur Verfügung gestellt wurde, stecken pro Haushaltsjahr 200000 Euro. Etwa ein halbes Dutzend Förderanträge wurde bislang bewilligt. Weitere Anträge liegen auf Schmids Tisch. Der Bedarf sei da, sagt er. Der Landschaftsarchitekt hofft daher, dass der Gemeinderat die Förderung im Haushalt 2016/17 verlängert. Der grüne Oberbürgermeister Fritz Kuhn hat signalisiert, dass er dafür werben will.

Wie lange es den Stadtacker hinter den Wagenhalle indes noch geben wird, ist unklar. Sicher ist nur: Das Areal ist Millionen wert und soll irgendwann bebaut werden. Dann müssen die Betreiber weichen und werden sich wohl ein neues Gelände suchen. Moritz Bellers sieht die Notwendigkeit und fordert sogar noch mehr Stadtgärten. “Wenn künftig neue Stadtviertel geplant würden, sollten auch immer Areale fürs Urbane Gärtnern vorgesehen werden”, sagt er. Studien zeigten, dass mit der Arbeit auf solchen Grundstücken auch eine Verwurzelung stattfinde. Sie bringe Leben in ein Quartier und fördere das soziale Miteinander. Wer das ignoriere, schaffe erst leblose Schlafstädte und auf Dauer soziale Brennpunkte, sagt Bellers.

Die “South Central Farm”

Ursprünge Urbaner Gartenbau wird im Grunde betrieben, seit es Städte gibt. Nur die Motive und das Image haben sich verändert. Im Nachkriegs-Stuttgart pflanzten die Leute beispielsweise Gemüse an, um sich davon zu ernähren. Auch heute gilt Urban Gardening wieder als zweckmäßig: Die Blockade von Transportwegen während eines Streiks von britischen Lastwagenfahrern und Landwirten im Jahr 2000 und Naturkatastrophen wie der Hurrikan Katrina im Jahr 2005 zeigten, dass es in Großstädten nach drei Tagen zu massiven Versorgungsengpässen kommen kann.

Vorbild Ein bekanntes Beispiel zeitgenössischen urbanen Gartenbaus ist ein Projekt im US-amerikanischen Bundesstaat Kalifornien. Die letztlich zwangsweise geräumte “South Central Farm” wurde von lateinamerikanischen Immigranten errichtet, deren verarmter Stadtteil mit Supermärkten unterversorgt war. Sie nutzten eine Brache für den Anbau frischer Lebensmittel und als sozialen Treffpunkt.

 

Zum Original Artikel • Swp

Ein Nicht-Ort im Ort

Von Eveline Blohmer  | 

Er liegt am Hang, wo Degerloch und der Stuttgarter Süden aneinanderstoßen: der El Palito, ein Gemeinschaftsgarten, in dem jeder willkommen ist. Dort lassen sich zum Beispiel auch Lebensmittel mit anderen teilen.

Degerloch – Ein Ort, an dem jeder sein darf, wie und wann er will. Ein Ort, an dem die Herkunft, soziale Schicht oder Sprache keine Rolle spielen und sich ein jeder mit Respekt begegnet. Ein Ort, an dem es grünt, blüht und gedeiht, mitten in der Stadt. Ein Ort, an dem Musik erklingt, die Nachbarn sich aber nicht dran stören – oder an dem, wenn sie es doch tun, der Konflikt kommunikativ gelöst wird.

 

Rund 3500 Quadratmeter

Die Idee, die hinter dem Gemeinschaftsgarten „El Palito“ steckt, klingt wie eine Utopie, und tatsächlich bezeichnet Stella Maris Culture, Mitglied im gleichnamigen gemeinnützigen Verein, den Garten als „Utopialand“. Aber dafür, dass die rund 3500 Quadratmeter, die sich ausbreiten zwischen Alter Weinsteige, Auf dem Haigst und Römerstraße eine Utopie, also per definitionem ein „Nicht-Ort“, sein sollen, sind sie sinnlich ziemlich erfahrbar: Die Verkehrsgeräusche von der nahen B 27 mischen sich mit Vogelgezwitscher, in die Nase dringen Kurkuma, Koriander und Co. von dem vegetarischen Gericht, das gerade an der Kochstelle zubereitet wird. Die Augen bleiben immer wieder an Details zwischen dem Grün hängen.

Beleg dafür, dass „El Palito“ tatsächlich existiert, ist aber auch seine zunehmende Präsenz im lokalen Geschehen. So hat es Mitte April eine gemeinsame Veranstaltung mit drei alteingesessenen Degerlocher Vereinen in der Alten Scheuer gegeben. In Kooperation mit dem Wein-, Obst-, und Gartenbauverein Degerloch, den Gartenfreunden und den Naturfreunden richteten die Palitos einen Abend zum Thema „Urban Gardening“ aus. Sie sorgten mit einer zweitägigen Kochaktion für das Catering – und damit für Staunen: „Es war, wie wenn Eltern zum ersten Mal zu ihren Kindern in deren Wohnung in die Stadt kommen und merken: ,Hey, die können ja was‘“, erzählt Vorstandsmitglied Martina Rodriguez. Ihr Vorstands- und Studienkollege Ben Kirschner hat „gerade bei dieser Veranstaltung rausgehört, dass wir total akzeptiert sind“. Zwar habe es am Anfang „ein bisschen einen Kulturclash zwischen uns und den Naturfreunden“ gegeben, aber das gegenseitige Interesse sei groß, „und wir sind offen für das immense Wissen der anderen Vereine“, sagt der Kunstakademiestudent.

Damit, dass der Garten für jedermann jederzeit so offen ist, wie es die Geister seiner Betreiber zu sein scheinen, fährt das Projekt „El Palito“ anscheinend gut im Bezirk. „Hin und wieder kommen ältere Herren aus Degerloch und setzen sich zu uns, um ihr Bier zu trinken“, erzählt das Vorstandsmitglied Silke Keim. Auch die lokale Prominenz habe sich schon blicken lassen: Der Sternekoch Vincent Klink habe sich für eine spezielle Tomatensorte aus dem „El Palito“-Gewächshaus interessiert und sei da gewesen und habe auch Geld gesammelt für den spendenfinanzierten Verein. „El Palito“ hat Wurzeln geschlagen im Bezirk.

 

Stöckchen auf Spanisch

Begonnen hat alles vor rund zwei Jahren. Nachdem es 20 Jahre lang im Dornröschenschlaf versunken war, wurde das Gelände am Hang wiederbelebt. „Ein paar Freunde hatten die Idee, einen öffentlichen Garten zu schaffen. Das Grundstück gehört dem Vater eines Mitgründers“, erzählt Silke Keim. Da galt es erst einmal, das Grundstück von abgeladenem Müll und wild wuchernden Brombeersträuchern zu befreien – von ihnen auch der Name: El palito heißt auf Spanisch das Stöckchen.

Nicht wild wuchernd, aber doch „ganz selbstständig“ hat sich das Projekt laut Keim in den beiden Jahren, die zwischen Gestrüpp und angelegten Wegen und Beeten liegen, entwickelt. Etwa 20 Mitglieder hat der eingetragene Verein offiziell. Auch einen siebenköpfigen Vorstand gibt es.

Damit hört es aber auch schon auf mit der Vereinsmeierei. Denn ein normaler oder gar stocksteifer Verein soll „Das Stöckchen“ eben nicht sein. „Es gibt gewisse Regeln. Aber wir geben nur den Rahmen vor“, sagt Keim. Dabei ist der Humus, auf dem das Miteinander im „El Palito“ gedeihen soll, der Respekt. „So lange man sich mit gegenseitigem Respekt begegnet, kann man sich hier frei entfalten und einbringen“, sagt Keim. So kann der Verein, der mehr Vereinigung ist, auch verschiedene Kurse und Veranstaltungen anbieten und Projekte starten. Beispielsweise das Food-Sharing-Projekt, das Bio-Lebensmittel vom Großhändler vor dem Nicht-Ort für Essbares, nämlich dem Müll, rettet.

 

Sich einbringen:

Wer sich ein-, etwas Brauchbares vorbeibringen oder gegen eine Spende Lebensmittel mitnehmen möchte, findet den Garten Auf dem Haigst 45. Informationen gibt es auch im Netz unter www.elpalito.de.

 

Zum Original Artikel • Stuttgarter-Zeitung

¡¡Vida Bonita!! – „Schönes Leben“

Von Lisa Pawlowski, Svenja Frauenhoffer und Alice Springfeld  |  28 Oktober 2014

„Wir wussten am Anfang gar nicht was daraus werden würde“, sagte Santi. Er ist einer von 13 Mitbegründern des El Palito in Stuttgart. In ihrem Gemeinschaftsgarten kann man eigenes Gemüse anbauen und nach dem Ernten gemeinschaftlich Kochen. Seit einigen Wochen neu – das Foodsharing. Organisiert wird diese nachhaltige Aktion von Santi.

Mit einem breiten Grinsen im Gesicht kommt Santi einen kleinen Weg entlang gelaufen, der von der Straße zum El Palito führt. Unter seinem Karohemd, eine Art Markenzeichen von ihm, trägt er einen Pullover. Die Kapuze, die eng am Kopf anliegt, rahmt sein vollbärtiges Gesicht samt wuscheligen Haaren ein. Er nimmt auf einer der Holzbänke im Garten platz, schwingt im nächsten Moment die Beine darüber und legt sich flach auf den Rücken. Das ist typisch für Santi.

 

Es begann mit Flaschensammeln für neue Schuhe

Doch Santi war nicht immer so unbeschwert, wie er es hier im El Palito sein kann. Er wuchs in Argentinien auf. Einem Land, in dem die soziale Situation in vielerlei Hinsicht durch eine starke Ungleichheit gekennzeichnet ist. „Das, was wir jetzt hier machen, Foodsharing und Containern, das haben wir auch als Kinder in Argentinien gemacht”, berichtet Santi. Damals haben sie alte Flaschen und Papier gesammelt um sich so Schuhe zu kaufen oder ihr Taschengeld aufzustocken. Angefangen hat er damit im Alter von acht Jahren. Vor 13 Jahren wanderte er schließlich nach Deutschland aus. Hier hat er ¡¡Vida Bonita!! – ein „Schönes Leben”. Die Idee, einen Gemeinschaftsgarten wie das El Palito zu gründen, entstand erst später.

 

Von der Idee bis zum Gemeinschaftsgarten

Sein Freund Yannick hatte ursprünglich die Idee eine Bar zu gründen. Einen Ort, an dem sich Freunde jederzeit treffen können. Der Vater eines anderen Freundes hatte ein Grundstück, das er gerne zur Verfügung stellte. Santi, der mit beiden befreundet ist, war so von Anfang an in das Projekt involviert. Das Grundstück glich damals wohl eher einem Urwald, es war sehr verwildert. „Wir haben uns den Ort hier erst

mal freigeschaufelt”, erzählt Santi. Die Männer wussten damals noch nicht, was genau daraus werden würde. So nutzten sie die Fläche, zusammen mit anderen Freunden, vorerst für gestalterische Freiheiten. „Es war erst mal ein Ort, wo das Austoben stattgefunden hat. Viele Menschen, hatten ganz viele Visionen und viele kreative Einfälle”, er gestikuliert wild mit den Händen, „wir haben gegärtnert, haben den Raum einfach genutzt und uns nicht so viele Gedanken darüber gemacht, was aus diesem Ort werden könnte.” Doch warum einen Garten, der im Herzen einer Großstadt liegt, für sich behalten? Die Idee für das El Palito war geboren. Ein Gemeinschaftsgarten, der Raum für viele kreative Einfälle schafft. Eingetragene Gründungsmitglieder sind heute 13 Personen. Santi streckt alle Finger in Luft um die Namen besser aufzählen zu können, nach acht scheitert der Versuch. Es sind aber auch wirklich sehr viele.

Ein relativ neues Projekt im El Palito ist das Foodsharing. Eine nachhaltige Aktion, bei der Essen verschenkt wird, das an anderen Stellen überflüssig ist. Santi fährt vor jeder Aktion zu verschiedenen Bio-Läden in Stuttgart und holt Obst, Gemüse und Backwaren ab. Oft ist dabei Körpereinsatz gefragt, denn viele gute Lebensmittel werden von Supermärkten in Müllcontainer geschmissen.

 

Was bringt die Zukunft?

Der Gemeinschaftsgarten bleibt auf jeden Fall heute und in Zukunft ein Ort für Jedermann. Foodsharing und gemeinschaftliches Gärtnern sind auch weiterhin ein wichtiger Aspekt, größere Pläne für die nächsten Jahre gibt es allerdings noch nicht. Die Hände hat Santi mittlerweile zum Wärmen unter die Oberschenkel geklemmt, denn es ist kalt geworden. „Wir wollen einfach, dass dieser Ort an dem wir so viel Zeit verbringen, erst mal schöner wird”, sagt er mit einem Lächeln auf den Lippen.

 

Zum Original Artikel • HUIZ

„Das Stuttgart Experiment – Anleitung zur städtischen Transformation“, Diplomarbeit

27 Dezember 2013

Verfasser: Ines Wulfert
Prüfer: Prof. Antje Stokman, Prof. Arno Lederer, Leslie Koch/ IÖB
Sprache: Deutsch

Die Diplomarbeit umfasst drei Teile:

 

Teil 1

Der Schwerpunkt des ersten Teils liegt auf der theoretischen Auseinandersetzung mit globalen und lokalen Herausforderungen, mit dem Ziel, Konzepte für eine „grünere“ Stadt zu entwickeln, die ihre Bewohner zu einem bewusster gestalteten, gesunden Leben inspiriert. Es sollen demnach Ideen entwickelt werden, wo und wie Stuttgart (oder einzelne Bereiche) in diesem Sinne (um)gestaltet werden könnten. 
Dabei spielen eine Vielzahl von Faktoren eine bedeutende Rolle, von denen im Folgenden nur einige genannt werden können: 

– Wo gibt es Orte, wo Naturerfahrungsräume entstehen könnten? Handelt es sich dabei um Privatgärten, die nicht genutzt werden, städtische Brachflächen oder öffentliche Grün- und Freiflächen in der Stadt
– Wo gibt es bereits Initiativen und Zusammenschlüsse von Leuten, die dieselben Anliegen und Ideale haben? (Wagenhallen/Stadtacker, Contain’t, Kulturlabor, Projekte an den Hochschulen, Urban Farming auf dem Züblin-Parkhaus, El Palito,…).
– Wie können “Grünprojekte” wie urbane Gärten  von einem „Trend“ in etwas Dauerhaftes überführt und für mehr Menschen zugänglich gemacht werden? Wie kann man die Initiative zum gemeinschaftlichen Kreativ-Sein und Experimentieren, aber auch zum gemeinschaftlichen Genießen des eigenen Lebensumfeldes fördern?
– Was das Projekt Stuttgart 21 und die energischen Proteste offenlegen ist, dass viele Bürger einen großen Willen zur Mitgestaltung ihres eigenen Lebensumfeldes haben und Verantwortung für die Umwelt übernehmen wollen. Dieses Potenzial soll genutzt werden, um gemeinschaftlich eine neue städtische Lebensrealität mit neuen sozialen Werten zu schaffen.
– Diese Fragen im Sinne von „global denken“ sollen im Theorieteil erörtert werden und anschließend in eine räumliche und organisatorische Strategie für die Stadt Stuttgart münden.     

Der Übergang von „globalem Denken“ zum „lokalen Handeln“ soll durch den zweiten Teil der Diplomarbeit veranschaulicht werden. 

Teil 2

Teil 2 stellt den Kulturgarten “El Palito” in Stuttgart als eine Art Prototyp für urbane “Grünprojekte” vor. Das Gartengrundstück an der Neuen Weinsteige wurde vom (privaten) Besitzer als “Experimentierfeld” freigegeben. Ein kleiner Kreis von Interessierten hat im Juni 2013 einen Kulturförderverein gegründet, der sich der Gestaltung und der Organisation des Grundstücks annimmt. 
Der Garten ist ein kleines grünes Juwel innerhalb der Stadt und aufgrund der Hanglage sehr spannend. Bisher wird er primär als Gemeinschaftsgarten genutzt, soll jedoch Schritt für Schritt auch für benachbarte Bewohner und andere Interessierte geöffnet werden. Neben kulturellen Events und sozialen Angeboten, wie Workshops, Ausstellungen, Flohmärkte etc., sind vielfältige andere Nutzungsmöglichkeiten vorstellbar.

Die Dokumentation der sozialen und räumlichen Prozesse im Kulturgarten (und darüber hinaus) gibt einen Eindruck von den vielfältigen Möglichkeiten und positiven Effekten, die sich in selbstorganisierten Projekten mit direktem Naturbezug ergeben können.

Teil 3

Der dritte Teil der Diplomarbeit steht ganz im Zeichen des lokalen und auch praktischen Handelns. 
Im Kulturgarten El Palito wird gemeinschaftlich ein Architekturexperiment durchgeführt: Ein Baumhaus, als eine Art Symbol für die Vision der „grünen Stadt“ und eines gesellschaftlichen Wertewandels (s. Teil 1), soll vor Ort entstehen. Mit Hilfe der Vereinsmitglieder und anderen Interessierten soll der Bauprozess im Rahmen eines Workshops ab März 2014 organisiert werden. 
Ziel ist es, nur wenige planerische Rahmensetzungen vorzugeben, um den Beteiligten individuellen Gestaltungsspielraum zu lassen und die Identifikation mit dem „Symbol“ zu stärken. Vor allem im Hinblick auf potenziell neu entstehende Naturerfahrungsräume, wie z.B. weitere Kulturgärten in der Stadt, könnten die Baumhäuser als Identifikationsmerkmal des lokalen Handelns und globalen Denkens entstehen. 
Daraus ergeben sich vielschichtige Herausforderungen. Die Mindestplanung soll so unternommen werden, dass das Baumhaus „nach System“ relativ leicht und kostengünstig nachgebaut werden kann und trotzdem individuelle Kreativität fördert. Aus diesen praktischen Gründen, aber auch um den experimentellen Charakter und ideellen Wert zu untermauern, der hinter der Bauaufgabe steckt, wird die Verwendung von Recycling-Materialien angestrebt. Das Bauen soll  handwerkliche Fähigkeiten  und Kreativprozesse anregen, die wiederum für andere Projekte nützlich sein könnten (innerhalb des Gartens z.B. für den Bau eines Gewächshauses o.Ä.). Außerdem sollen Vergemeinschaftungsprozesse über das Medium „Architektur“ gefördert werden. 

Bei der Bearbeitung des Diplomprojekts im letzten halben Jahr haben sich reale Experimente herauskristallisiert, wodurch die Diplomarbeit den Titel „Das Stuttgart-Experiment“ erhalten hat und in folgende drei Untertitel gegliedert wurde: 

 

Die kommunikation – Vortragsreihe

Es war klar, dass die Vorbereitung für den Bauprozess über den Winter nicht vor Ort stattfinden kann. Daher kam die Überlegung auf, einen Raum zu finden, der während der kalten Jahreszeit regelmäßig für Treffen genutzt werden kann. Von Anfang an sollte ein Austausch zum Thema Baumhaus stattfinden können, um das Projekt zum gemeinschaftlichen Anliegen zu machen.  Konkrete Planungs- und Organisationsschritte könnten auf diese Weise besprochen und der Kontakt untereinander aufrecht erhalten werden. Aber auch Vorträge zu Themen, die für den Garten und die Gruppe Relevanz haben könnten, wurden auf die Programmliste gesetzt (s. unten).

Das “Kulturlabor” – ein Kulturförderverein, der erst kürzlich gegründet wurde, bot uns an, seine Räumlichkeiten in der Azenbergstrasse zu nutzen. Wir wollten dadurch auch die Möglichkeit wahrnehmen, El Palito mit dem Verein zu vernetzen. Im November 2013 fand das erste Treffen dort statt.

Das bauexperiment

Wem steckt der Kindheitstraum vom kleinen “Luftschloss” nicht noch in Kopf und Herz? Und welchen schöneren Ort als der wilde Garten an der Weinsteige kann man sich dafür ausmalen? Als ich die Idee, ein Baumhaus zu bauen, zum ersten mal im El Palito kommunizierte, waren die Anwesenden sehr positiv gestimmt. Es war aber auch klar, dass es in vielerlei Hinsicht ein Experiment für alle Beteiligten werden würde. Es galt, das richtige Maß von planerischen Vorgaben und Offenheit im Prozess zu finden. Die konventionelle architektonische Herangehensweise, in der möglichst wenig dem Zufall überlassen bleiben soll, wurde sozusagen umgekehrt: Möglichst viele Spielräume sowie kollektive Kreativität und Handfertigkeit sollten das Projekt zum Gemeinschaftsprojekt werden lassen, mit dem sich alle identifizieren können.  Die nötigen Planungs- und Organisationsschritte sollten möglichst transparent kommuniziert werden und zum Mitmachen motivieren. 

Übergeordnetes konzept

(s. Teil 1 der Diplomarbeit)
El Palito ist ein ganz besonderer Ort – eine Oase der Ruhe inmitten der iconhektischen und lauten Stadt. Befindet man sich in dem Garten, scheint es als würde man für eine bestimmte Zeit in eine andere Welt eintauchen, in der man von Natur und Grün umgeben ist. An einigen Stellen kann man zwischen den Ästen der Baumkronen in den Kessel blicken und sieht auf die Dächer der zahllosen Gebäude und Straßen, die das Stadtbild prägen. Man fühlt sich durch die Höhenlage “enthoben”. Dieses Gefühl soll verstärkt werden – eine Art zweite Ebene soll einem neue Perspektiven eröffnen und ermöglichen, sich selbst und seine Umgebung anders wahrzunehmen und zu erleben. Der Kontakt zur Natur soll intensiviert werden. Übergeordnet kann das Nest als eine Art Symbol für einen  gesellschaftlichen Bewusstseins- und Wertewandel betrachtet werden, wo Kontemplation, Besinnung auf das Wesentliche und die “innere Natur” Konterpunkte zu Beschleunigung, Entsolidarisierung  und Entfremdung von der Natur sowie Wohlstandskonsum bilden. Da der Kulturgarten El Palito eine Art “Nische” in der Stadt ist, wo sich Leute treffen, die sich durch ähnliche Wünsche und Ideale verbunden fühlen, ist El Palito der perfekte Ort für ein solches Symbol. Die “Nische soll ein Nest” bekommen…

Bedingungen vor Ort

Das Gartengrundstück dient als wichtige Kaltluftschneise für die Stadt Stuttgart. Kühle Luft von den Fildern kann am unbebauten Hang entlang eines Grabens in die Innenstadt strömen. Ein ca. vier Meter breiter Geländestreifen entlang dieses Grabens ist als Biotop ausgeschrieben. Viele besondere Pflanzenarten können hier ungestört wachsen und müssen unbedingt geschützt werden. Der Verein El Palito bemüht sich sehr, die natürlichen Prozesse vor Ort nicht zu stören. Wichtig war es also zunächst, einen geeigneten Ort für das Baumhaus zu finden: Die Umgebung soll nicht negativ beeinträchtigt und  Bäume nicht beschädigt werden. Hauptsächlich kommen junge Eschen und kleinere Obstbäume im Garten vor, die nicht für eine bauliche Konstruktion in Frage kommen. Nur wenige Bäume kommen überhaupt in Frage, die stabil genug sind, um dem oftmals starken Wind standhalten und ein Baumhaus tragen zu können. Selbstverständlich sollten sie auch der außergewöhnlichen Lage des Grundstücks gerecht werden und die Aussicht auf die Stadt erlauben. 

Zum Original Artikel • Universität Stuttgart